Ein Händchen für den Handel

Jedes Geschäft sucht leidenschaftliches Personal. Aber wie finde ich es?

Petra Benecke (Bild oben, Dritte von rechts) lacht viel, wenn sie von den Anfängen ihres Geschäfts erzählt. Denn gewissermaßen, das stellt sie gleich mal klar, ist sie selbst fachfremd. Gelernt hat Benecke in der Logistik, erst nach einigen Jahren verfiel sie dem Laufsport – privat und beruflich.

Im Jahr 2006 übernahm sie „Laufsport Andreas“ im nordrhein-westfälischen Minden. Es sprach sich schnell herum, dass in dem Geschäft nicht nur die Auswahl reichlich ist, sondern vor allem die Beratung erstklassig. Und das, obwohl die Mitarbeiter keine Experten im eigentlichen Sinne waren. Sie kamen von großen Modehäusern oder aus dem Textilbereich, beworben haben sie sich bei dem Laufsportladen trotzdem. „Die Fachkompetenz fehlte zwar“, sagt Benecke rückblickend, „aber sie hatten Verkaufstalent und Spaß am Laufen.“ Der Handel und Fachkräfte – das war zuletzt nicht immer eine Liebesgeschichte. Gerade für kleinere Geschäfte ist es in den vergangenen Jahren immer schwieriger geworden, gute Mitarbeiter zu finden und zu binden. Eine Studie des EHI Retail Institute zeigt, dass die Pandemie die Lage noch einmal verschärft hat, gerade bei Fachkräften in den Filialen tun sich Einzelhändler zunehmend schwer.

Die Fluktuation in der Branche lag zuletzt so hoch wie seit Jahren nicht mehr. Die Gründe sind so vielfältig wie die Mitarbeiter selbst. Dabei sind einige Faktoren offenbar besonders entscheidend – und Geld gehört nicht unbedingt dazu.

Das Institut für Beschäftigung und Employability wollte in diesem Jahr von knapp 1.000 Führungskräften wissen, welche Maßnahmen zur Mitarbeiterbindung am wichtigsten sind. Auf dem ersten Platz landete ein gutes Betriebsklima, gefolgt von flexiblen Arbeitszeiten. Eine marktgerechte Entlohnung landete auf dem dritten Rang.

Auch die Schweizer Handelskette Zubi hat der leidenschaftlichen Belegschaft einen Gutteil ihres Erfolgs zu verdanken. Thomas Zuberbühler leitet das Traditionsunternehmen in dritter Generation. Seitdem er das Geschäft im Jahr 2004 übernommen hat, ist die Firma von zwei auf 150 Mitarbeiter gewachsen, selbst während der Corona-Monate stellte sie noch ein.

Für Zuberbühler ist die Persönlichkeit der Angestellten ebenfalls wichtiger als das Fachliche. Auch, weil ihm nichts mehr Unbehagen bereitet, als jemanden entlassen zu müssen. Deswegen achtet er von vornherein genau darauf, wer auch wirklich ins Team passt. Fachliche Defizite ließen sich nachher beseitigen, menschliche nicht.

Thomas Zuberbühler hat die Zahl der Mitarbeiter im schweizerischen Herisau von zwei auf 150 gesteigert.

Eine Sache der Erfahrung

Diese Erfahrung hat auch Petra Benecke gemacht. Viel zeigen, viel erklären, sagt Benecke, das sei das Wichtigste. Beispiel Laufanalyse: Am Anfang gehe das alleine nicht, doch schon bald hätten die neuen Mitarbeiter ein gutes Gefühl dafür entwickelt, was wichtig ist. Wie die Person läuft, wie sie abrollt, welchen Schuh es braucht und welche Extras. „Eine Sache der Erfahrung, die durch interne Schulungen abgerundet wird, aber kein Hexenwerk“, sagt Benecke.

„Das kann jeder lernen.“ Vorausgesetzt natürlich, die Lust am Lernen ist vorhanden – aber genau die fördern die beiden Händler ganz bewusst. Zuberbühler sieht seine Rolle als Chef auch darin, den Mitarbeitern entsprechende Anerkennung für gelegentliche Mehrarbeit zukommen zu lassen. Da gibt es dann nach einer anstrengenden Woche auch mal einen zusätzlichen finanziellen Bonus. Vor drei Jahren entschied er sich, einen Teil des Marketingbudgets lieber in seine Belegschaft zu investieren. Das fließt nun in Löhne über dem Branchenschnitt, Mitarbeiterfeste und Teamevents.

Auch Petra Benecke weiß um die Bedeutung von Belohnung. Von Zeit zu Zeit gibt sie Tankgutscheine raus. Wer die Kunden neben den Schuhen noch von T-Shirt oder Laufhose begeistern kann, darf mit einer kleinen Belohnung rechnen. „Es ist nicht viel, aber es soll meine Wertschätzung ausdrücken“, sagt Benecke, „das fehlt den Mitarbeitern woanders.“

Text: Lars-Thorben Niggehoff, Nils Wischmeyer