Die Gesprächspartner: André Weise (links) und Ron van de Wiel
Das niederländische Unternehmen Blue Loop Originals produziert nachhaltige Sportartikel. Mitgründer Ron van de Wiel und der Relationship Manager André Weise erklären, warum auch kleine Hersteller viel bewegen können.
Wie ist die Idee entstanden?
Ron van de Wiel: Vor ein paar Jahren wurde uns bewusst, wie viele Textilabfälle verbrannt werden oder auf Mülldeponien landen. Nur ein kleiner Teil wird tatsächlich recycelt und wiederverwertet, meist zu schallabsorbierendem Material und Teppichrücken für Autos. Wir dachten uns: Kann man aus diesem vermeintlichen Abfall nicht etwas Schönes machen, das zur Erhaltung unseres Planeten beiträgt? So nahmen wir uns dem beliebtesten Kleidungsstück aller Zeiten an: der Blue Jeans. Und seitdem stellen wir mit einem jungen und ehrgeizigen Team, die unsere Leidenschaft teilen, unter anderem neue Outdoor-Textilien aus abgenutztem oder gebrauchtem Material her.
Warum ausgerechnet Jeans?
RW: Beim Entwirren abgenutzter Jeans wird kein Wasser verbraucht. Im Vergleich zum Anbau neuer Baumwolle sparen wir mit einem Kilogramm recyceltem Denim 1000 Liter Bewässerungswasser.
André Weise: Wir waren aber auch schon immer offen für andere Abfallströme wie zum Beispiel Wolle. Wir wollten aber zuerst die Jeans meistern. Outdoor-Händler haben uns bereits in der Anfangsphase gedrängt, Produkte aus recycelter Wolle zu entwickeln, da sie, gelinde gesagt, eine Abneigung gegen Baumwolle haben.
Wie kamen Sie auf den Firmennamen?
AW: Blau steht für das Draußensein und den Blick in den Himmel, Loop für unsere Mentalität, Materialien immer wieder zu verwende – und das mit einem originellen Ansatz.
Warum ist Ihnen Recycling so wichtig?
RW: Jedes Jahr wird genauso viel Kleidung produziert wie weggeworfen. Nur ein Bruchteil wird wieder zu etwas Wertvollem recycelt – dabei gibt es sowohl genug Wissen als auch Kapital, um das Konzept umzukrempeln.
Skeptiker sagen: Eine nachhaltige Produktion ist zu teurer.
AW: Wir glauben, dass unsere Marge, die Marge der Fabriken und die des Einzelhändlers im Gleichgewicht sind. Wir können nicht zu Fast-Fashion-Preisen anbieten, und in diesem Sinne sollten wir auch eine Diskussion darüber führen, ob Fast-Fashion-Einzelhändler von der globalen Bühne verschwinden sollten.
Am Ende sind es aber doch die Verbraucher, die mit ihrer Kaufentscheidung den größten Einfluss haben, oder?
AW: Die Endverbraucher, die regelmäßig – manchmal ein paar Mal im Monat – Kleidung kaufen, können für ihr Verhalten nicht verantwortlich gemacht werden. Sie werden durch Fast Fashion mit niedrigen Preisen und ständig wechselnden Trends, die von Influencern angepriesen werden, süchtig gemacht. Sie sind nicht gegen Recycling oder Nachhaltigkeit, aber sie haben meist ein anderes Empfinden für den Kauf.
Was unterscheidet euch von dieser Strategie?
RW: Wir ziehen es vor, Dinge zu machen, mit denen sich die Leute identifizieren können, die oft langlebige Klassiker sind, ein grundlegendes Outdoor-Garderoben-Konzept, das für die täglichen Aktivitäten geeignet ist. Das kann manchmal auch bedeuten, dass eine geplante Innovation nicht mit der Fabrik funktioniert, die man zuerst im Sinn hatte. Uns ist es in so einem Fall wichtig, mit unseren Partnern persönlich und auf Augenhöhe zu diskutieren, anstatt alles nur noch per Mail oder per Whatsapp zu erledigen.
Hierfür muss man seine Kunden aber auch sehr gut kennen …
RW: Das stimmt. Und das ist auch eine der größten Herausforderungen unserer Zeit. Wir kennen die Lieferketten nicht mehr, wir wissen nicht, wer die Dinge herstellt. Wir kennen die Menschen nicht und wissen nicht, mit welchen Kulturen und täglichen Kämpfen sie es zu tun haben.
Kann das funktionieren?
RW: Es ist schwer, ja. Aber wir sind davon überzeugt, dass das für uns der richtige Weg ist. Recycling ist ein Prozess. Genauso verstehen wir auch unsere Beziehung zu anderen Menschen.
Nachhaltige Produktion wird immer wichtiger und nahezu jeder scheint sich in der Sache zu engagieren. Wie bewerten Sie diese Entwicklung?
RW: Wir haben unseren Einstieg bewusst langsam angehen lassen, weil wir wussten, dass wir manchmal scheitern würden. Wir haben nicht den Anspruch, die Klassenbesten im Bereich Nachhaltigkeit zu sein und das laut in die Welt zu brüllen. Uns ist es wichtig, dass wir wirklich etwas verändern und damit Teil einer größeren Bewegung sind. Wir nennen das den Tiger im Gras.
AW: Allerdings beobachten wir, dass viele Marken, große Einzelhändler und auch Hersteller falsche Behauptungen aufstellen und die Verbraucher mit aufgeblasenen Geschichten über Kreislaufwirtschaft und Nachhaltigkeit verwirren. Das tut dem Thema nicht gut.
Was treibt Sie an, so zu arbeiten?
RW: Am meisten fasziniert mich, wie die Natur funktioniert und was sie erschafft. Und dann versuche ich, die Größe unseres Universums und unseren winzigen Platz darin zu verstehen. Ich suche den Austausch zu anderen und lese viele Veröffentlichungen über Lebensmittel, Energie, unser Klima und über die Natur. Wir sind sehr bodenständig, haben aber den Drang, ein paar Dinge zu ändern. Ich habe die Textil- und Bekleidungsindustrie als Ventil dafür genommen. Vielleicht wäre die Politik ein besserer Weg gewesen, um die Dinge schneller zu ändern.
Inwieweit sind Sie im deutschen Handel vertreten?
AW: Wir haben uns stark auf die Zusammenarbeit mit den Outdoor-Profis von SPORT 2000 und mehreren EKO-Lifestyle-Stores konzentriert, die unser Konzept verstehen. Wir sind in Deutschland noch keine bekannte Marke, aber wir arbeiten intensiv daran.
Welche Unternehmenskultur herrscht bei Ihnen?
RW: Wir lieben es, gegen den Strom zu schwimmen, neue Ideen zu erforschen, zu scheitern und wieder aufzustehen. Drei Dinge sind für uns sehr wichtig: Wir arbeiten nicht mit Zielvorgaben und Boni, denn Belohnung manifestiert sich in anderen Dingen als Geld, wenn man die richtigen Dinge tut.
Jemand im Lager ist genauso wichtig wie jemand, der unter-wegs ist und Kunden besucht. Wir geben jedem die Freiheit, sich zu entfalten, aber das muss auch von innen kommen. Schließlich wissen wir, dass es im Leben Höhen und Tiefen gibt, und vor allem während dieser Tiefen erlauben wir jedem, in seinem eigenen Tempo zu arbeiten, und versuchen, dass das Team die Führung übernimmt, wenn so etwas passiert.
Woran wollen Sie noch arbeiten?
RW: Die Dinge können immer besser oder anders sein. Es ist wichtig, ein Gleichgewicht zwischen Veränderung und Zufriedenheit zu finden. Etwas richtig zu machen, lässt sich nicht messen, man kann sich nur auf seine Erfahrungen und seinen Instinkt verlassen und auf eine Reihe von Normen und Werten, die man immer mit anderen spiegeln muss.
Wie sieht Ihr Blick in die Zukunft aus?
RW: Wir sind auf einem guten Weg. Die Recycling-Bewegung ist in vollem Gange, neue EU-Gesetze werden das Bewusstsein schärfen, und das wird zu mehr Maßnahmen führen. Kurzfristig machen uns die Einzelhändler Sorgen und das Vertrauen der Verbraucher, das bei dem Thema sehr gering ist.
AW: Wir müssen mehr mit den Einzelhändlern zusammenarbeiten, um den Verbrauchern das Gefühl zu geben, dass ihr Geld, das sie im Geschäft ausgeben, mehr als nur das Bankkonto des Eigentümers unterstützt. Gleichzeitig könnten die Einzelhändler selbst Geschichten erzählen, warum sie sich für bestimmte Produkte und Marken entscheiden. Ein gutes Beispiel dafür ist ein Geschäft in Amsterdam, das regelmäßig eine Geschichte auf A4 schreibt, diese ausdruckt und sie jedem Kunden mitgibt, um so eine tiefere Verbindung aufzubauen und mehr Relevanz zu vermitteln.
Wie kann der Handel die Nachhaltigkeitsbewegung vorantreiben?
RW: Bei Nachhaltigkeit geht es um mehr als die Umwelt. Wir würden gerne mehr Persönliches in den Geschäften sehen, besondere Schaufenster. Man könnte Erfahrungen in Geschichten niederschreiben, Lieblingsbücher an der Theke verkaufen, eine anständige Kaffeemaschine ins Geschäft stellen, sich intensiv mit den Marken austauschen, Reparaturen oder Reparatursets anbieten. Alles Dinge, die tiefere Beziehungen zwischen Menschen fördern. Das ist die Basis für ein nachhaltiges Miteinander – und für den Erfolg der Bewegung, die uns täglich antreibt.
Interview: Sandra Hummel
Auf dem Weg zu neuem Leben für alte Jeans
Die Jeans werden zerhackt und die nicht recycelbaren Bestandteile wie Knöpfe und Reißverschlüsse aussortiert.