Bad Doberan, etwa 15 Kilometer westlich von Rostock gelegen, ist vor allem bei Kurgästen be- liebt. Im Sommer bringt eine Dampflok namens Molli die Touristen an den nahen Ostseestrand. Vermutlich wäre das Städtchen mit seinen 13.000 Einwohnern niemals einer breiten Öffentlichkeit bekannt geworden – wenn nicht die deutsche Bundesregierung im Jahr 2007 den G8-Gipfel im Bad Doberaner Stadtteil Heiligendamm veranstaltet hätte. Manchmal hat man das Schicksal nicht selbst in der Hand.
Claudia Timm ist dafür das beste Beispiel. Sie führt das Schuhhaus Boock, etwa zehn Minuten entfernt vom berühmten Grand Hotel Heiligendamm – obwohl sie eigentlich andere Pläne hatte.
Die gebürtige Rostockerin absolvierte zunächst in ihrer Heimat eine Ausbildung als Schifffahrtskauf- frau. 1991 zog es sie zu einer Reederei in Hamburg, die Eltern ihres Mannes betrieben damals das Schuhhaus Boock in Bad Doberan. Auch Ralf Binning, der dort heute eine Quick Schuh Filiale führt, hatte seine berufliche Zukunft zunächst nicht im Schuhhandel gesehen. 1994 ergab sich für beide die Gelegenheit zum Einstieg, verbunden mit dem Ruf, in die Heimat zurückzukehren. „Wir haben den Schritt niemals bereut, auch wenn wir ins kalte Wasser gesprungen sind“, sagt die 50-Jährige.
Hauptsache, es passiert immer etwas Neues – so tickt Claudia Timm schon immer. Deshalb gehören zum Sortiment des 260 Quadratmeter großen Geschäfts neben Schuhen für Kinder und Erwachsene seit sechs Jahren auch Textilien. „Wir sind sehr glücklich mit dieser Ergänzung, schauen auf die Wetterprognose und stimmen unser Textilangebot und die Präsentation stets aktuell darauf ab.“ Bei Bedarf fährt Timm spontan nach Hamburg, um Sofortware zu kaufen.
Auch nach Feierabend aktiv
Das Engagement für den Einzelhandel in der Stadt endet für sie aber nicht mit dem Geschäftsschluss. Nachdem sich die örtliche Werbegemeinschaft aufgelöst hatte, schlossen sich engagierte Anwohner zu einer Wählergemeinschaft zusammen und holten im Jahr 2019 auf Anhieb drei Sitze in der Stadtvertreterversammlung. „Es ist wichtig für den Handel, nicht nur Position zu beziehen und Sorgen vorzu- bringen, sondern auch mitzuarbeiten“, sagt Timm.
„So haben wir gemeinsam für Bad Doberan einiges auf den Weg gebracht.“ Zwar durfte der Weihnachtsmarkt wegen Corona im Jahr 2021 nicht stattfinden, der Kinoverein musste die traditionelle Aufführung der „Feuerzangenbowle“ absagen. Verzichten mussten die Doberaner trotzdem nicht. Der Film war im Schaufenster von Schuhhaus Boock zu sehen, Glühwein schenkte der Verein nebenan aus. „Das war für den Handel und die Besucher gleichsam ein großartiges Angebot“, sagt Timm.
Im Schuhhaus Boock arbeiten neben der Inhaberin heute fünf Mitarbeiterinnen, darunter auch die 24-jährige Tochter Anneli. Die fünfte Generation steht also schon in den Startlöchern.
Text: Jenny Bleilefens
Fotos: Meike Kenn
Claudia Timm und Tochter Anneli (rechts) in ihrem Schuhhaus
Die Dampflok Molli bringt Touristen an den nahen Ostseestrand.