Wer im Concept-Store "erlebe Wigner!" in Zirndorf bei Nürnberg am Wochenende ein bisschen länger bleibt, wird staunen: Um 18 Uhr schieben die Mitarbeiter Produktauslagen auf Rollen in den hinteren Teil des Geschäftes, bauen eine Bühne auf und holen Stühle hervor. Aus einem Teil des Verkaufsraumes wird so in wenigen Minuten ein Veranstaltungsort. Dort finden Konzerte, Shows und Vorträge statt. Geplant werden sie von Geschäftsführerin Ellen Wigner, die hohe Ansprüche an ihre eigenen Events stellt: „Es reicht heute nicht mehr, den Gästen ein wenig Prosecco auszuschenken“, sagt sie. Zu einem erfolgreichen Event gehöre eben auch eine gute Show. Und die ist bei Wigner wirklich eine Nummer größer: Bis zu 300 Personen haben vor der Bühne Platz. Einlass ist schon zwei Stunden vor Beginn. Besucher können ihre Plätze frei wählen und mit Zetteln reservieren. Wer deswegen früher kommt, hat Zeit, im Laden einzukaufen oder im angeschlossenen Restaurant zu essen. Ähnlich macht es Heinz-Jörg Ebert, Inhaber des Schuhhaus Darré in Gießen. In einer halben Stunde verwandelt sich die Herrenabteilung im Untergeschoss zum Eventraum. Seit Anfang der 2000er Jahre lädt Ebert zu besonderen Veranstaltungen in sein Geschäft. Der Klassiker sind die Mädels- und Freundinnenabende, bei denen Kundinnen mit kompetenter Beratung des Schuhhauses gemeinsam einkaufen können.
Ellen Wigner und Heinz-Jörg Ebert verbindet dabei eins: Sie haben erkannt, dass die Aufgabe des Handels nicht ausschließlich darin liegt, Waren zu verkaufen. Allein die Auswahl sei laut Ellen Wigner kein Grund mehr, stationär einzukaufen.„Mehr Auswahl als im Online-Handel geht nämlich nicht“, sagt Wigner.
Seit Jahrzehnten am selben Ort zu sein, reiche als Zweck ebenfalls nicht aus. Um die Kundschaft dennoch zu binden, setzen Wigner und Ebert deshalb stark auf Events – und das mit großem Erfolg.
Ellen Wigner und ihr Mann Eberhard übernahmen das Schuhgeschäft seiner Eltern vor vierzig Jahren und bauten das Sortiment zunächst mit Kleidung und Sportartikeln aus. Schon damals organisierten sie Skireisen mit eigenen Skilehrern für ihre Kunden und veranstalteten jährlich ein Radrennen. „Die Idee war schon damals, die Kundenbindung durch Erlebnisse zu stärken“, sagt Ellen Wigner. Schnell stieß der damalige Standort in der Zirndorfer Innenstadt an seine Grenzen. Die Wigners zogen in ein neues Gebäude, etwa einen Kilometer Richtung Ortsausgang. „Wir dachten, dass unsere Kunden uns folgen“, sagt Ellen Wigner. Es kam jedoch nur ein Bruchteil der Kunden mit. Die Wigners mussten sich einen neuen Kundenstamm und neue Bindungen aufbauen. Die Events waren da goldrichtig.
Anders als die Wigners blieb Ebert über die Jahre am angestammten Platz in der Gießener Innenstadt. Er gehört zur weiterführenden Generation und sagt: „Einzelhandel kann nicht nur für sich stehen.“ Er versuche mit seinen Events mitzuhelfen, die Innenstadt wieder zu beleben. Für die Veranstaltungen steht Heinz-Jörg Ebert gern auch mal selbst auf der Bühne, immerhin ist er ausgebildeter Jazz-Sänger. An den Mädels- und Freundinnenabenden beginnt und schließt Ebert beispielsweise seinen selbst moderierten Modevortrag mit einem eigenen Song. Die Vorträge reichert sein Team mit den passenden Produkten aus seinem Laden an. Die Idee hinter der Veranstaltung: Kundinnen sollen die Zeit im Laden nutzen, um in Ruhe einzukaufen. Der Eintritt ist zwar kostenlos, ebenso die Getränke. Trotzdem setzt Ebert an diesen Abenden durch Einkäufe der Kundinnen teilweise bis zu fünfstellige Summen um. „Es ist nicht verpflichtend, bei dem Event einzukaufen“, sagt Ebert. Die Verantwortung liege bei den Kunden. Das erwähne er auch freundlich. Doch diesen Hinweis brauche es gar nicht: „Gewöhnlich verlässt keiner den Raum ohne einen Einkauf.“
Gute Events prägen das eigene Image
Einladungen schickt Ebert über einen Newsletter, für den sich Interessierte anmelden können und an die Inhaber einer Kundenkarte. Die 120 Plätze seien schnell ausgebucht. Die Tickets müssen sich Kunden vor Ort abholen: „Dadurch habe ich die Kunden zwei Mal im Haus“, erklärt der Händler. Etwas anders gestaltet sich sein Kulturprogramm, für das er primär im Herbst zu größeren Konzerten oder einer Comedy-Show einlädt. Die Einnahmen decken zwar die Kosten. Das Ziel ist aber ein anderes: Imageprägung für das Schuhhaus in der umsatzstärksten Zeit.
Auch bei Wigner stehen regelmäßig Künstler auf der Bühne, um die Menschen zu begeistern. „Ich versuche, für unser Kulturprogramm eine gute Mischung auszuwählen“, sagt Ellen Wigner. Sie möchte auch Kunden ansprechen, die sonst nicht kommen würden. Mittlerweile habe sich Wigner in der Kulturszene der Region einen Namen gemacht. „Die Künstleragenturen kommen nicht mehr an uns vorbei, wenn sie ihre Künstler platzieren wollen“, sagt Wigner. Auch bei ihr decken die Einnahmen die Kosten, darüber hinaus generiert sie Umsätze im Geschäft und im angeschlossenen Restaurant, das sie betreibt.
Zudem profitiert das Unternehmen von der Berichterstattung über die Veranstaltungen in der lokalen Presse. All das ist aufwendig, doch sowohl Wigner als auch Ebert raten, die Organisation lieber selbst in die Hand zu nehmen. Ebert beispielsweise erklärt: „Wenn ich das Konzept von einer Agentur planen lassen würde, wären die Events nicht authentisch.” Deshalb plant und organisiert er vieles selbst, ebenso wie Ellen Wigner, die mit ihrem Team ein Kundenmagazin, Kampagnen und Social-Media-Auftritte verantwortet. Zu schaffen ist das gut, sagt sie und auch Ebert erklärt, er habe den Aufwand für die Events früher „völlig überbewertet.” Anderen Händlern, die Spaß an Events haben, raten beide: Mit guter Vorbereitung mal ausprobieren.
Text: Lukas Homrich
Bilder: Erlebe Wigner, Schuhhaus Darré