Wie sieht die Arbeit im Handel in zehn Jahren aus? Das EHI Retail Institute hat nach Antworten auf diese Frage gesucht und gleich acht verschiedene gefunden. Was Händler aus der Szenariostudie lernen können.
Es ist der Segen des Science-Fiction-Filmemachers, dass er seiner Kreativität freien Lauf lassen kann.Da gibt es die finstere Klassenkampfdystopie des deutschen Kinopioniers Fritz Lang, „Metropolis“, den launigen und Gadget-fokussierten Zeitreiseklassiker „Zurück in die Zukunft II“ oder moderne Abhandlungen über die Grenzen und Gefahren von Künstlicher Intelligenz wie „Ex Machina“ und „Her“. In allen Fällen konstruieren die Schöpfer ein Szenario, das in sich schlüssig und durchaus in realen Tendenzen verwurzelt ist.
Auch Ulrike Witt beschäftigte sich zuletzt beruflich mit der Frage, was für Zukunftsszenarien auf uns warten könnten. Dabei fokussierte sich Witt, die beim EHI Retail Institute den Forschungsbereich Personal im Einzelhandel leitet, naturgemäß auf den Einzelhandel als Branche. Mithilfe der Szenariotechnik erstellte sie das Whitepaper „Future of Work in Retail“, das acht Zukunftsoptionen für den Sektor nachzeichnet.
„Mitarbeitende sind König” heißt etwa eins davon. In diesem Szenario gelingt dem Handel eine Trendwende, vor allem dank seiner Mitarbeiter. Diese bekommen Erleichterungen und gute Arbeitsbedingungen geboten, dafür bringen sie sich mit Leidenschaft in den Verkaufsprozess ein. Keine Revolution also, mehr eine konsequente Fokussierung auf den Menschen. Witt und ihr Team beschreiben an anderer Stelle auch ein Szenario, in dem Mitarbeiter eher von der Fläche verschwinden. Unter „Substitution des traditionellen Handels” zeichnet die Studie eine Zukunftsvision, in der der Verkaufsprozess entscheidend und die Beratung eher irrelevant wird.
In diesem Fall droht allerdings den Mitarbeitern mangelnde Wertschätzung, da sie als austauschbar empfunden werden. Es gibt aber auch die Option, dass sich der Handel als cooler „Smart Retail” neu erfindet. Die Kunden und Mitarbeiter fühlen sich dann an die angesagten Marken gebunden.
Für den Handel würde das gute Geschäfte bedeuten, Mitarbeiter würden primär über die eigene Strahlkraft und großzügige Gehälter gebunden. Es gibt also eine große Spannbreite bei den Szenarien, was sich auch durch die vielen betrachteten Faktoren erklärt. Insgesamt rund 90 Einflussfaktoren gingen in den Prozess ein, darunter etwa die demographische Entwicklung, die Arbeitsgesetzgebung und die weitere Entwicklung von Technologien wie Künstlicher Intelligenz.
Unterstützt wurde das EHI von der ScMI AG, einer Beratungsgesellschaft für Zukunftsgestaltung und strategische Unternehmensführung. Eine konkrete Vorhersage, welches der Szenarien eintritt, will Witt aber nicht abgeben. Allein schon, weil sich die Situation konstant verändert. Den Händlern empfiehlt sie lieber, sich zu überlegen, welches Szenariosie als wünschenswert empfinden und darauf hinzuarbeiten – ohne die anderen außen vor zu lassen. Klar sollte sein: „Die Mitarbeiter müssen sich wichtig fühlen und ihren Job gerne machen, sonst kann keines der positiven Szenarien eintreffen.“
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Ulrike Witt arbeitet seit 2008 beim EHI Retail Institute in Köln ,
seit 2019 ist sie dort Leiterin des Forschungsbereichs "Personal im Einzelhandel".
Sie hat Germanistik in Göttingen und Psychologie
an der Fernuniversität Hagen studiert.
Die vollständige Studie "Future of Work in Retail" finden Sie hier
Text: Lars-Thorben Niggehoff