Auch der Einzelhandel will das Potenzial ausschöpfen. Der Anteil deutscher Einzelhandelsunternehmen, die KI in einzelnen Bereichen oder unternehmensübergreifend einsetzen, stieg von 7,5 Prozent (2022) auf 23,5 Prozent im Jahr 2023. Das ist das Ergebnis einer Studie des Handelsverband Deutschland (HDE) in ooperation mit Safaric Consulting und der Universität Münster. Nahezu jedes Unternehmen weltweit buhlt aufgrund des großen Potenzials um Fachkräfte in diesem Bereich, auch der Schuh-, Sport- und Lederwarenhandel. Der SPORT 2000 ist es bei dieser Suche gelungen, Ilja Gurevich ins Team zu holen. Er kennt sich in dieser Welt so gut wie kaum ein anderer aus und soll vor allem die Top-Accounts beraten, wenn es um Fragen rund um E-Commerce und digitales Marketing geht. Es ist das erste Mal, dass es bei SPORT 2000 so eine Stelle gibt. In Gurevichs Tätigkeit nehmen die Möglichkeiten der Künstlichen Intelligenz einen immer größeren Stellenwert ein. Doch was ist wirklich möglich – und wasnur Spielerei? Und was kann Gurevich heute schon digital zaubern?
Wer Gurevich nach der Bedeutung von KI fragt, bekommt seine volle Überzeugung zu spüren, dass KI in einigen Jahren alles auf den Kopf stellen wird und teilweise auch heute schon tut. „KI ist schon jetzt ein Katalysator für Effizienz, das gilt für interne Prozesse, aber auch für das Marketing.“ Gurevich nimmt seine eigene Arbeit gerne als Beispiel. „Ohne KI würde ich doppelt so viel Zeit für alles brauchen“, sagt er. Das zeigt sich vielfach schon heute in seinem Alltag. Wer ihm beispielsweise eine E-Mail schreibt, der muss damit rechnen, dass der 28-Jährige für seine Antwort bereits auf Formulierungsvorschläge einer KI setzt. „Warum auch nicht“, meint Gurevich. „Ich kann so viel Zeit einsparen, und das ist doch der Sinn von KI: die Effizienz zu erhöhen”, sagt er in die Kamera seines Laptops.
Das Thema Künstliche Intelligenz hat er schon Jahre vor dem aktuellen Hype für sich entdeckt, seine Bachelorarbeit 2017 drehte sich um das Thema. „Damals dachte man bei dem Stichwort noch, dass Roboter uns demnächst die Arbeit abnehmen werden, doch darum geht es bei KI ja gar nicht“, erzählt er. Im Grunde gehe es darum, aus Daten Muster zu erkennen, um daraus dann kluge Entscheidungen ableiten zu können. „Das ist schon die ganze Magie.“
Anwendungsfälle gibt es viele, wie Gurevich selbst schon bewiesen hat. So entwickelte er vor seiner SPORT-2000-Zeit beispielsweise eine KI für das Risikocontrolling, die einen großen Vorteil brachte: „Wir konnten damit Zahlungsausfälle schon sehr früh prognostizieren.” Für ein Unternehmen ist das Gold wert, für Gurevich befriedigend, wenn seine Arbeit Früchte trägt. Seit er den Job gewechselt hat, kommen für ihn zwei Welten zusammen, die er liebt: KI und Sport. „Die Sportbranche ist unfassbar spannend“, sagt er. Die Leidenschaft sei bei den Händlern spürbar, das gefällt Gurevich. Wenn er nun mit ihnen spricht, dann dreht sich vieles darum, die Effizienz zu steigern: Wie lässt sich aus dem Online-Shop mehr herausholen? Wie die Buchhaltung einfacher gestalten und wie neue Kundenerlebnisse erschaffen?
Oftmals fängt Gurevich im Kleinen an, die KI zu implementieren. „Einer unserer Händler stand zum Beispiel vor der Aufgabe, Tausende Produkte in die Kategorien auf seiner Webseite zu sortieren“, erzählt Gurevich. Der Experte schlug dann vor, dazu auf KI zu setzen. „Wir haben der KI als Input die Produktdaten gegeben und dann hat sie die Artikel selbstständig eingeordnet, das hat vielleicht alles in allem zwei Stunden gedauert“, sagt Gurevich. Und auch für Produktbeschreibungen lasse sich KI gut nutzen, etwa ChatGPT. „Wenn KI heutzutage schon etwas kann, dann anhand von wenigen Stichpunkten einen guten Text schreiben“, sagt Gurevich. Und der Text sei dann auch noch SEO-optimiert.
Dann wieder geht es darum, kreativ zu sein. „Ich habe eine KI mit dem Foto vom Showroom für unsere Eigenmarke gefüttert und um Verbesserungsvorschläge gebeten“, erzählt Gurevich.
Den Datenschutz im Blick behalten
Langfristig lässt sich noch mehr aus den klugen Algorithmen rausholen. Geht es um die Optimierung von Webseiten, denkt Gurevich zum Beispiel an personalisierte Angebote. „KI kann erkennen, dass ein Kunde gerade für einen anderen shoppt“, erläutert er. So etwas lasse sich anhand der Nutzernavigation auf der Website nachvollziehen. Wenn gar so etwas mit Künstlicher Intelligenz möglich ist, lässt sich das Kundenerlebnis völlig neu gestalten.
Ein paar Hürden gibt es dafür laut Gurevich aber dennoch. Die beiden wichtigsten: Datenschutz und Kosten. Nutzer müssten zustimmen, dass eine KI ihre Aktivitäten verfolgen kann. Wer also immer alle Cookies ablehnt, erschwert den Einsatz personalisierter Inhalte. Und mal eben so auf ein Knöpfchen drücken, um die KI zu aktivieren, könnten Händler auch nicht. „Zunächst muss ich die KI mit Daten füttern und ihr erklären, was sie interpretieren kann“, sagt er.
Niedrigere Einstiegshürden bieten vor allem Anwendungsfälle in der Kommunikation. Ein Beispiel: Chatbots, die Händler heute schon in den eigenen oder gemeinsamen Shop integrieren können „Mit KI dahinter kann der dann auch deutlich mehr, als nur das FAQ durchzugehen“,so Gurevich. So helfe er gerade einem Händler dabei, einen Chatbot zu entwickeln, der auch zu Produkten beraten kann. „Wichtig ist immer, dass die Konversation natürlich wirkt“, sagt der KI-Experte von SPORT 2000. Und auch für Newsletter lasse sich KI einsetzen, nicht zum Schreiben der Texte, sondern auch für die Personalisierung. „Wenn zum Beispiel ein Vater gerade Skier für seinen Sohn kauft, kann ich ihm per E-Mail in den kommenden Tagen automatisiert weitere Produkte vorschlagen, die ebenfalls passen könnten“, erklärt Gurevich.
Weil die Nachfrage bei SPORT 2000 nach all solchen Anwendungsfällen steigt, sucht Gurevich nun einen weiteren Mitarbeiter, der sich mit KI auskennt. „Wir bauen hier nun eine Inhouse-Agentur für das Thema E-Commerce & Digitales Marketing auf“, sagt er. Unnötig zu sagen, dass der Businessplan für diese Agentur nicht nur von ihm erdacht wurde. Sondern auch von einer Künstlichen Intelligenz.
I
Ilja Gurevich machte ursprünglich ein duales Studium in Accounting und Controlling.
Doch schon damals ließ ihn die Welt der Computertechnologien nicht mehr los.
Bereits in seiner Bachelorarbeit beschäftigte er sich damit,
wie sich mithilfe von KI Zahlungsausfälle prognostizieren lassen.
Bevor Gurevich zu SPORT 2000 stieß, war er unter anderem
für den Kochgeschirrhersteller Fissler tätig
und kümmerte sich um den Ausbau des Online-Shops.
Text: Jan Schulte