Anfangen hilft!

Lena Schaumann ist Vorbild, wenn es um Nachfolge geht

Die Unterrnehmerin Lena Schaumann spricht über ihren Weg in die Unternehmensnachfolge, ihre Motivation und beschreibt Situationen, in denen gemeinsam mehr geht als allein.

Frau Schaumann, Sie sind Jungunternehmerin und haben vor nicht allzu langer Zeit Ihr Familienunternehmen,das Möbelhandelsunternehmen Möbel Schaumann in Kassel, von Ihrem Vater übernommen. Wenn Sie Ihre Erfahrungen und Ihre Vorgehensweise mit einem Satz beschreiben sollten, wie würde dieser lauten?

Anfangen hilft. Jeder kennt wahrscheinlich solche Floskeln. Anfangen hilft, das ist und war seit jeher der absolute Lieblingsspruch meines Vaters. Wann immer ich vor irgendeinem Berg stand, sei es das Mathe-Abi oder Fahrradfahren-Lernen. Das hat mich früher nur allzu oft genervt. Heute kann ich sagen: Mein Vater hatte recht.

Waren Sie sich immer sicher, dass Sie die Nachfolge Ihres Vaters antreten?

Nein, überhaupt nicht. Mein Vater führte unser Möbelhaus in dritter Generation und Zeit meines Lebens. Ich war mir 100 Prozent sicher, dass diese Familiengeschichte entweder mit ihm zu Ende geht oder aber einer meiner Geschwister die Nachfolge antreten würde. Für mich war klar, dass das für mich mindestens zehn Nummern zu groß ist.

Und dann?

Ich gründete zunächst mein eigens Start-Up – den Möbel Onlineshop Lumizil. Dort startete ich von Null an und baute mir meine Expertise auf. Ich war selbstständig, lebte und arbeitete mitten in Berlin, der Tech-Szene Deutschlands, voll digitalisiert. Aber irgendwann langweilte ich mich.

Ich musste mir eingestehen, dass ich viel mehr Lust auf People-Business habe. Ich wollte jetzt Nachfolgerin werden und ich konnte mir nichts Geileres vorstellen, als das weiterzuführen, was mein Uropa vor über 100 Jahren gestartet hatte. Mit dem Wissen aus dem eigenen, digitalen Unternehmen kehrte ich nach fünf Jahren zurück ins Familienunternehmen und verknüpfe seitdem unsere 100-jährige Tradition mit meinen Herzensthemen „People First“, Female Empowerment und Emotional Leadership.

Apropos Emotional Leadership: Sie haben zum Start Ihrer Nachfolge die Mission SMILE gestartet. Erklären Sie uns doch einmal kurz, was dahintersteckt.

Shwan Anchor, ein Glücksforscher, hat einmal gesagt, „erfolgreiche Menschen sind nicht glücklicher. Aber glückliche Menschen sind produktiver und erfolgreicher.“ Dem Gedanken folgte ich. Wir beschäftigten uns mit uns – unserer Marke und all unseren Mitarbeitenden: Was wollen wir erschaffen? Für welche Werte stehen wir ein? Wie wollen wir als Team gemeinsam leben und arbeiten? Wie sieht unsere Vision der Zukunft aus? Verkaufen wir „einfach nur Möbel“ oder tun wir eigentlich sehr viel mehr als das? Rückblickend kann ich nicht mehr genau sagen, wann es klick gemacht hat: Es gab diesen Punkt, an dem plötzlich vieles anders war. Wir hatten uns verändert – und zwar ganz tief in uns drin. Stolz wird immer wieder von unserem Projekt – das mittlerweile den Namen „SMILE“ trägt – erzählt. Wir hatten einen Kulturwandel vollzogen und das mit langfristigem Erfolg: Wir konnten unsere Fluktuation deutlich senken und unsere Mitarbeiterproduktivität um ca. 19 Prozent steigern.

Sicherlich gab es zu Beginn Ihrer Nachfolge auch immer wieder einmal Situationen, in denen Sie sich nicht ganz sicher waren, ob der eingeschlagene Weg der richtige ist, oder?

Anfangs spürte ich immer wieder Selbstzweifel. Ich nenne es die zwei Phasen des Selbstzweifels, denn in der ersten Phase war immer die große Frage, kann ich das? Kann ich wirklich das machen, was mein Vater vorher gemacht hat? Ich habe es schwarz auf weiß gebraucht. Der zweiten Bilanz, die erste hätte ja noch Zufall sein können, habe ich dann geglaubt. Ja, ich kann das, ich bin die Richtige für diese Nachfolge.

Lena Schaumann ist Nachfolgerin in vierter Generation bei Möbel Schaumann in Nordhessen. Bevor sie die Liebe zum Familienunternehmen entdeckte, gründete sie in Berlin ein eigenes Startup, das sie schließlich ins Familienunternehmen integrierte.

Seit sie selbst die Nachfolge angetreten hat, schlägt ihr Herz für Deutschlands Familienunternehmen. Deshalb gründete sie den Nachfolge-Podcast „Hermann & Ich” und das Nachfolge-Festival Footsteps mit dem Ziel, junge Menschen zur Nachfolge zu inspirieren.

Und was steckt hinter der zweiten Phase?

Kaum war die Frage nach dem Können beantwortet, habe ich mich gefragt, will ich das, will ich wirklich, dass mein Leben jetzt so aussieht mit all dieser Verantwortung? Mit all diesen vielen Aufgaben? Ist es vereinbar mit meinen anderen Wünschen, beispielsweise der Gründung einer Familie? Ich habe mir diese Frage mit einem ganz eindeutigen Ja beantwortet. Ich bin der Überzeugung, dass ich dafür verantwortlich bin, es mir so zu gestalten, dass es passt. Das ist für mich ein starkes Argument für Unternehmertum.

Viele Unternehmen müssen ihre Geschäftstätigkeit aufgeben, weil sie keine Nachfolge finden. Sie engagieren neben Ihrer Unternehmertätigkeit als Beraterin und Mentorin für junge Unternehmerinnen und Unternehmer. Was genau machen Sie?

Mein Herz hängt am deutschen Mittelstand. Er hat die Fähigkeit, sich immer wieder neu zu entwickeln. Nun hat das Rückgrat unserer Wirtschaft ein echtes Nachfolgeproblem. Deshalb ist Nachfolge zu meinem Herzensthema geworden. Konkret habe ich vor drei Jahren den Nachfolge-Podcast „Hermann und ich“ ins Leben gerufen. Wir sprechen mit vielen Nachfolgenden über ihre Geschichten. Beispielsweise mit Verena Bahlsen, von Bahlsen, Philipp Hitschler, von Hitschler, aber auch dem kleinen Metzgereibetrieb von nebenan. Also wirklich jede Unternehmensgröße ist mit dabei und wirklich die tollsten Ideen.

Sie teilen Ihr Erfahrungswissen mit Ihren Hörern, die diese dann in ihren Unternehmensalltag adaptieren können.

Genau. Und durch den Podcast haben wir gemerkt, wir brauchen noch mehr, wir brauchen noch mehr Austausch, wir müssen uns gegenseitig noch mehr inspirieren. Es gibt kein Nachfolge-ABC. Jeder muss seine individuelle Nachfolgelösung finden – die ist immer anders – und damit ich sie finden kann, brauche ich einfach den Austausch mit anderen Jungunternehmerinnen und -unternehmern. Deswegen habe ich noch ein weiteres Format ins Leben gerufen: Footsteps, das erste Nachfolgefestival Deutschlands, hat 2023 erstmals stattgefunden. Im Rahmen des Festivals beschäftigen wir uns zwei Tage mit Nachfolgethemen der Zukunft und wie wir sie erfolgreich gestalten.

Zudem engagieren Sie sich als Coach und Mentor für Nachwuchsunternemer. Wie kam es dazu?

Ich hatte viele Mentoren, oft aus der Branche, die mich begleitet haben. Auch Coaching habe ich gerne und oft für mich in Anspruch genommen. Viele Fragen wollte und konnte ich nicht für mich allein beantworten. Für mich war Coaching wie eine Schnellstraße. Viele Antworten hätte ich auch selbst finden können, mit einem Coach ging es aber oft viel schneller, weil jemand von außen Situationen klarer sieht als ich selbst. Ich habe dann eine Coachingausbildung gemacht, zunächst, um meinem Anspruch als Führungskraft gerecht zu werden. Daraus ist dann meine Leidenschaft dafür entstanden. Gepaart mit meinem großen Interesse an dem Thema Nachfolge versuche ich nun, andere auf ihrem Weg zu begleiten.

Vielen Dank für die tollen Einblicke in Ihre Unternehmerinnen-Welt und weiterhin alles Gute!

Interview: Ullrich Lüke
Fotos: Farina Deutschmann, Moritz Küstner