WIR Ausgabe 1 Frühjahr 2022 23 Herr Gulden, vor Ihrer Zeit als Manager waren Sie Fußballprofi. Was war Ihre mutigste Entscheidung? Björn Gulden: Eine einzelne Entscheidung fällt mir nicht ein. Jedes Mal, wenn man eine neue Heraus- forderung annimmt, braucht man Mut. Und ich hoffe, ich bringe diesen Mut jeden Tag mit. Puma bekennt sich in besonderem Maße zum Fachhandel, andere globale Konzerne setzen momentan eher auf direct to consumer (DtoC). Empfinden Sie das als mutige Entscheidung? Das kommt auf die Perspektive an. Gegenüber den Investoren ist es durchaus mutig. Aber es gibt sehr wenige Marken in unserer Branche, die DtoC erfolgreich umsetzen können. Vielmehr glaube ich, dass Multi-Branded-Retail die Zukunft ist. Der Konsument will selbst entscheiden, was er kauft. Er ist schließlich nicht das Eigentum einer einzel- nen Marke. Somit ist es für mich mehr eine philoso- phische Frage. Wenn ein Kunde mit dem Laufen anfängt, dann will er zu einem Spezialisten gehen, der mehr als nur eine Marke führt. Ich bin kein Fan von „Mono Branded“ als einzigem Kanal. Das ist sehr riskant und ein bisschen langweilig. Ist es nicht trotzdem mutig, als börsennotiertes Unternehmen auf ein Geschäftsfeld zu setzen, das nicht den gleichen Profit ermöglicht wie das Direct-to-Consumer-Geschäft? Ja, das kann sein. Aber Mut bedeutet auch, ehrlich zu sein. Derzeit wachsen wir global 15 Prozent pro Jahr, mit dem Handel stärker als mit DtoC. Die Profitabilität steigt. Wenn wir eine Ebit-Marge in Höhe von zehn Prozent haben, bin ich damit sehr zufrieden. Dann habe ich genug Geld, um meinen Investoren etwas zurückzugeben, und kann in weiteres Wachstum investieren. Für Puma sehe ich das als einzig richtige Strategie. Auch der stationäre Handel steht vor beson- können Handel besser als die Marken. Die Kombi- nation aus guten, starken Marken und neuen, inno- vativen Produkten – das ist die Zukunft. Verbundgruppen spielen in Deutschland eine besondere Rolle. Was müssen sie tun, um zukunftsfähig zu bleiben? Wenn man als Verbundgruppe die Stärke der gesammelten Händler im Markt nutzen kann und dabei effizient ist, wird man erfolgreich sein. Die Kombination von Generalisten und Spezialisten ist für mich die Zukunft, und da sehe ich insbesondere die SPORT 2000 auf dem richtigen Weg. Sicher sind Verbundgruppen manchmal komplizierter für uns als ein Filialist, der alles in der Hand hat. Aber ich verstehe auch, dass Dinge ein bisschen Zeit brauchen. Einige Entscheidungen muss man verschlanken, da man sonst keine Kaufkraft hat und die Effizienz im Marketing verschwindet. Also: ein bisschen mehr Effizienz, ein bisschen mehr Konsolidierung, ein bisschen schneller entscheiden – dann bin ich zufrieden. „ Wer digital und stationär kombiniert, tut das Richtige.“ Wird E-Commerce überschätzt? Die Handelslandschaft hat sich zweifellos stark verändert. Die einen setzen nur auf E-Commerce, die anderen auf stationären Handel. Die Annähe- rung der beiden Kanäle, sich also digital zu ver- markten und ein digitales Kaufangebot zu ermögli- chen und gleichzeitig stationär präsent zu sein, wird sich durchsetzen. Dass der stationäre Handel verschwindet, glaube ich nicht. Ich kann nur jedem Händler sagen: Wer digital und stationär kombi- niert, tut das Richtige. deren Herausforderungen und muss sich dem Sie haben als Puma-CEO sehr früh damit be- veränderten Konsumentenverhalten anpassen. gonnen, die Beschaffung unabhängiger zu Was ist die Erwartungshaltung von Puma in Richtung unserer Händler? Müssen sie mutiger sein – und wenn ja, wo? Der Handel sollte den Mut haben, auf Neuheiten zu setzen; zu einer gewissen Balance im Sortiment; und selbstbewusst an sich zu glauben. Händler gestalten. War das eine mutige Entscheidung? Fast jede Entscheidung ist mutig, wenn andere Leute sie anzweifeln. Ich bin aber schon lange im Geschäft und habe das Glück, die Fabriken, Asien und den Handel gut zu kennen. Somit halte ich das im Nachhinein für nicht besonders mutig.